Tapeten-Wechselndes

Wie zuletzt, in einem Augenblick

aufgehäuft aus Hängen, Häusern, Stücken

alter Himmel und zerbrochnen Brücken,

und von drüben her, wie vom Geschick,

von dem Sonnenuntergang getroffen,

angeschuldigt, aufgerissen, offen -

ginge dort die Ortschaft tragisch aus:

 

fiele nicht auf einmal in das Wunde,

drin zerfliessend, aus der nächsten Stunde

jener Tropfen kühlen Blaus,

der die Nacht schon in den Abend mischt,

so dass  das von ferne Angefachte

sachte, wie erlöst, erlischt.

 

Ruhig sind die Tore und die Bogen,

durchsichtige Wolken wogen

über blassen Häuserreihn

die schon Dunkel in sich eingesogen;

aber plötzlich ist vom Mond ein Schein

durchgeglitten, licht, als hätte ein

Erzengel irgendwo sein Schwert gezogen.


Rainer Maria Rilke

Der monddurchbleichte Wald
liegt totenstumm.
Da kommt ein Wind
von ferne sacht gewandelt,
hoch über seine tausend Häupter her.
Die Espe neben mir, die merkts zuerst
und gibt sich zitternd hin.


Und weiter eilt,
als wie ein Liebender
sein Mädchen sucht,
der sachte Wind.

Nun rauscht der Waldrand drüben
jenseits der Wiese auf.
Und wieder stehn
die mondlichtbleichen Stämme

totenstumm.


Christian Morgenstern